Perfektionismus ablegen
Perfektionismus durch Selbstannahme ablegen
Perfektionismus kommt von „perfekt“ und bedeutet so viel wie die vollendete Gegenwart. Der Fokus liegt auf dem Ergebnis, nicht dem Weg dorthin. Perfekt sein zu wollen bedeutet also, seinen Blick immer auf die Vergangenheit zu richten. Und der einzige Zweck, warum wir im Perfektionismus hängend dem nächsten perfekten Ergebnis nachjagen, ist der, dass wir vergessen haben, in Ordnung zu sein, wie wir sind.
Und immer dann, wenn wir uns nur noch am Ergebnis ausrichten und den Weg dorthin vergessen, verlieren wir uns selbst. Denn perfekt bedeutet etwas Vergangenes und die Vergangenheit gibt es in dem Moment, wo das Ergebnis erreicht wurde, nicht mehr. Sie ist schon tot. Aber das bemerken wir dann gar nicht mehr, weil wir schon mit dem nächsten perfekten Ergebnis beschäftigt sind.
Perfektionismus ist der gewissenhafte Weg zum eigenen inneren Tod. Und das ist schade, denn damit verpassen wir unser eigenes Leben und den Genuss, was es bedeutet, innerlich frei zu sein. Doch diesen Perfektionismus wollen wir eigentlich gar nicht, weil er viel Leid im Leben verursacht und es nur in schwarz und weiß einteilt.
Sobald wir uns in Selbstakzeptanz üben und Selbstvertrauen aufbauen, beginnt unser Perfektionismus zu schmelzen. Denn er nährt sich vom Zweifel, ob wir richtig sind und von der Sehnsucht nach Anerkennung.
Perfektionismus verstehen
Viele von uns wollen in allen Lebensbereichen das Optimum herausholen. Das kann einerseits dazu führen, wirklich große Erfolge zu verzeichnen oder dazu, sich nur noch im Kreis zu drehen und mit möglichen Fehlern zu beschäftigen. Deshalb können wir zwei Arten von Perfektionismus unterscheiden:
Funktionaler Perfektionismus
Hier ist man zwar auch an hohen Leistungen orientiert und bemüht sich redlich, die möglichst besten Ergebnisse zu erzielen. Aber sollte die angestrebte Leistung nicht erreicht werden, verlieren sich diese Menschen nicht in gedanklich und emotional negativen Verwirrungen. Sie akzeptieren das Nicht-erreichen von Zielen und können sich jedoch über erreichte Ziele wirklich freuen.
Dysfunktionaler Perfektionismus
Hier sieht es schon ganz anders aus, denn die Besorgnis über die angestrebte Leistung und das Ziel ist so groß, dass jedes noch so kleine Nicht-erreichen zu überhöhten gedanklichen und emotionalen Beschäftigungen mit dem Misserfolg führt.
Noch dazu empfinden diese Menschen keinerlei Wertschätzung sich gegenüber und kennen ihre Grenzen ebenso nicht. Hier geht es vor allem um die Abhängigkeit von Anerkennung und Selbstwert in Bezug auch andere.
Das Maß an Abhängigkeit ist unverhältnismäßig hoch und treibt diese Menschen in eine tiefe Zerrissenheit zwischen Sehnsucht nach „endlich in sich ankommen dürfen und angenommen werden“ und „beinharte Abwertung und Zerstörung sich selbst und anderen gegenüber.“

Ursachen von Perfektionismus
Es gibt keine eindeutige Erklärung, warum sich Perfektionismus ins Leben von jemanden schleicht. Immer wieder gibt es Theorien über frühe Bezugspersonen, die zu starre und enge Strukturen bezüglich der Verknüpfung zwischen Leistung und Liebe ziehen. Oder es ist das Fehlen jeglicher Struktur. Um diese fehlenden Strukturen im Außen auszugleichen, schafft man sich unverhältnismäßig starke in sich selbst.
Doch nicht alle Menschen müssen deshalb sofort in einen Perfektionismus fallen, nur weil es zu viele oder keine Grenzen gibt. Also spielen sicher auch Temperament und Charaktereigenschaften eine Rolle. Wir nehmen immer unser bestes Talent, um etwas in uns auszugleichen, das im Außen die Erfahrung von wenig Liebe und Wert bringt. Manche ziehen sich komplett zurück und verweigern jede Leistung, was auch zu Aufmerksamkeit führt, nur eher im negativen Sinn. Und andere wiederum sind gut darin, zu kämpfen und vorwärtszugehen und extra gute Leistungen zu bringen. Hier sieht die Rückmeldung eher positiv aus.
Doch in beiden Fällen geht es um denselben Kern: mein Selbstwertgefühl und -vertrauen sind gebrochen und ich suche nach Aufwertung im Außen, damit meine Selbstzweifel gelindert werden.

Meine Erfahrung mit dem Umgang von Perfektionismus
Meiner Erfahrung aus vielen Lebensgeschichten von Klientinnen und Klienten nach, geht es oft nicht darum, warum etwas passiert, sondern wie man aus dem frustrierenden Heute ein wünschenswertes Morgen machen kann. Die Ursache zu verstehen ist nur ein Teil eines Heilungsprozesses.
In erster Linie geht es für mich darum, den Spagat zwischen „so hätte ich es gerne“ und „so schaut es gerade aus“ emotional und mental aushalten zu lernen, ohne in eine gefühlte Zwangshandlung zu fallen, die ungesund ist. Denn sobald wir Mechanismen in uns haben, die zu einem „ich muss das sofort beheben“ oder „ich halte das nicht aus, also muss ich …“ führen, haben wir keine Entscheidungsfreiheit mehr.
Also wäre unabhängig von der Ursache darauf zu schauen, dass ich mich unabhängig von Leistung und Anerkennung in mir wohlfühlen kann und mir genüge. Fühle ich mich wohl und nehme mich an, dann kann ich mich jederzeit dafür entscheiden, was ich wie tun will.
Ich komme daher von einem „ich muss und sollte“ zu einem „ich könnte, wenn ich wollte.“ Das ist ein immenser Unterschied. Wir müssen aus dem Teufelskreis aus Soll (=Ideal) – Ist (=Realität) – Muss (Zwang, dem Ideal zu entsprechen) schrittweise aussteigen. Das passiert aber nie ohne echte Selbstannahme.
Symptome von Perfektionismus
Wir können alles zum Perfektionismus erheben und nur auf Ergebnisse aus sein, die prinzipiell nie jemand erreichen wird. Weder wir selbst noch unser Gegenüber. Dieses Ideal ist eine Illusion, die immer zu Enttäuschung führen wird.
Hier spielt immer eine zwanghafte Komponente eine wichtige Rolle. Perfekt sein zu wollen, spielt sich überall dort ab, wo Leistung eine Rolle spielen kann, also überall. Ob in Beziehungen und Sexualität, am Arbeitsplatz, beim Essen, in gesundheitlichen Aspekten wie Hypochondrie und Schönheitswahn oder schlicht beim Abendessen kochen und Kindererziehung.

Perfektionismus tarnt sich also gerne und kann sich beispielsweise so zeigen:
- Neurosen aller Art
- Alkoholismus
- Magersucht und Bulimie
- Bluthochdruck
- Schlafstörungen
- Essstörungen allgemein (z.B. nicht vor anderen essen können)
- Narzissmus
- Panikattacken und Angststörungen
- Sexuelle Störungen
- Selbstmordgedanken
Das wären sichtbare Ergebnisse, die durch den immensen Stress, immer das Ideal erreichen zu müssen, entstehen können. Es fehlen Strategien, mit diesem Druck umzugehen. Also sucht man sich andere Lösungen, die jedoch zu noch mehr Stress und Frust führen.
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Perfektionismus und Selbstwert
Der Selbstwert besteht aus vier Säulen
Selbstakzeptanz
Selbstvertrauen
Soziale Kompetenz
Soziales Netz
Selbstakzeptanz bedeutet die positive Einstellung zu sich selbst als Person. Doch nun ist das fatale Missverständnis, dass es nicht darum geht, sich erst dann zu akzeptieren, sobald alles gut und wie gewünscht in mir ist. Bei der Selbstakzeptanz geht es darum, mit mir in jeder Hinsicht zufrieden zu sein. Und wir alle haben Seiten an uns, die wir vielleicht nicht wollen. Aber genau diese Seiten sind wichtig, dass sie in uns liebevoll in den Arm genommen werden können. Selbstakzeptanz bedeutet also
- Zufrieden mit sich zu sein
- Einverstanden mit sich zu sein
- Sich wertzuschätzen
- Eins mit sich zu sein
- Sich in sich selbst zu Hause zu fühlen
Im Zusammenhang mit Perfektionismus sind die beiden Säulen Selbstakzeptanz und Selbstvertrauen wesentlich für die Heilung
Wenn wir uns diese Aspekte ansehen, wird klar, dass diese nicht einfach zu erfüllen sind. Denn wer kann sich schon mit sich eins fühlen, wenn wir gerade wo feststecken und etwas nicht haben wollen. Und genau deshalb benötigen diese Schritte professionelle Begleitung, denn der Königsweg zur seelischen Gesundheit geht übers Fühlen.
Schrittweise können wir genau zu diesen Aspekten in uns kommen, doch die Betonung liegt auf schrittweise. Perfektionismus trägt starken Selbstzweifel in sich. Und Zweifel an mir selbst ist nur dann möglich, wenn ich nicht weiß, wer ich bin. Ich habe meinen eigenen Wert noch nicht erkannt und brauche diesen von außen. Eine Form, wie ich mir diesen Wert holen kann, ist eben in der Form, alles perfekt machen zu wollen. Denn erst dann bin ich besonders und alle mögen mich. Das ist zwar eine Illusion, doch das zählt nicht viel, weil die Sehnsucht so groß ist, endlich auch angenommen zu werden.

Vertrauen in mich und meine Fähigkeiten aufbauen bedeutet auch Verantwortung für mein Handeln zu übernehmen
Selbstvertrauen aufzubauen können wir nur, indem wir das, was in der Psychologischen Beratung erkannt und gelernt wurde, auch im Alltag praktisch umsetzen. Hier sind Aspekte gefragt, die es gilt, in einer gesunden Form schrittweise umzusetzen
- Etwas gut können
- Bestimmte Dinge gut machen
- Etwas erreichen
- Auch durchhalten können
- Etwas lassen können
Alles Aspekte bezüglich des Selbstvertrauens sind beim Perfektionismus in einer ungesunden Form vorhanden. Durch den starken Selbstzweifel muss ich genau diese Aspekte beweisen, denn ich bin von keinem Punkt überzeugt, dass er so bei mir ist.
Ablegen des Perfektionismus: Selbstakzeptanz und Selbstvertrauen aufbauen
Selbstakzeptanz können wir zusammenfassen als positive Einstellung zu uns selbst als Person
Es geht um eine Akzeptanz von mir im Großen und Ganzen und nicht in jeder einzelnen Faser meines Seins. Hier verzichte ich auf den Vergleich zu anderen, denn ich weiß, ich bin genauso und nicht anders. Und das genügt mir. Wenn es mir genügt, genügt es auch anderen. Ich kenne meinen Körper und bin insgesamt zufrieden mit ihm, unterlasse dauernde missmutige feine Hiebe auf mich selbst, weil irgendetwas zu groß, zu dünn, zu eng oder kurz ist. Und ich höre auf, an meiner gefühlten Durchschnittlichkeit zu leiden, denn es gibt keinen Durchschnitt. Das ist nur eine statistische Größe und keine menschliche Wirklichkeit.
Selbstvertrauen können wir zusammenfassen als positive Einstellung zu unseren eigenen Fähigkeiten und Leistungen

Hier ist eine überprüfbare und reale Erreichbarkeit von Zielen gemeint, wobei „real“ das wichtige Beiwort ist. Und wenn das Ziel real nicht zu erreichen ist, dann muss ich es ändern können. Das bedeutet wiederum, ich muss Frustration aushalten und trotzdem durchalten und das ist nicht einfach. Auch die eigenen Grenzen respektieren und zu kennen ist eine wichtige Eigenschaft für das gesunde Selbstvertrauen.
Es finden sich zwei extreme Richtungen für das Selbstvertrauen.
Entweder ist es zu hoch und ich hebe dadurch ab, verliere den realistischen Boden unter den Füßen. Denn ich nehme an, dass ich alles kann und meist alle anderen nichts. Ich bin übermäßig stolz auf mich und höher als die anderen.
Die andere Richtung bedeutet, ich nehme selektiv zu stark meine eigenen Schwächen wahr und überbewerte die Kritik von anderen. Ich bin niedriger als die anderen.
Doch balanciertes Selbstvertrauen bedeutet, dass ich meine Bewertung mit der Bewertung von anderen gesund abgleichen kann. Niemand ist unabhängig von sozialen Einflussfaktoren. Auch nicht jemand, der den ganzen Tag über in einem Kloster meditiert. Diese Person ist nur so lange scheinbar unabhängig von gesellschaftlichen Einflüssen, bis wir sie für eine Zeit in eine Großstadt stecken.
Niemand ist besser oder schlechter als wir. Nur anders. Deshalb kann uns auch niemand wirklich bewerten, nur seine Sichtweise sagen. Ende der Geschichte.
Es geht um Balance und Fluss im Leben
Wir dürfen zu einer Balance in uns kommen. Wir dürfen eine Balance zwischen Selbstunterschätzung und Selbstüberschätzung wie auch einer Überbewertung der eigenen Einschätzung sowie der Einschätzung anderer kommen.
Alles, wo unser Fokus zu stark wird, kippt und bringt uns in eine Falle. Denn Instabilität im Selbstwert kann extrem unangenehm werden, was im Falle von Narzissmus sichtbar wird. Jeder kleinste Hauch einer Kritik wird massiv abgewehrt, die eigenen Fähigkeiten jedoch in einem extremen Ausmaß hervorgehoben.
Doch dahinter sitzen stark gekränkte und unsichere Personen, die keine emotionale Toleranz besitzen. Zu stark waren oft die massiven Eindrücke aus der Vergangenheit, die nicht verarbeitbar waren. Nun ist das einzige Ventil eben dieser ungesunde Ausdruck sich selbst und anderen gegenüber.

Mein Gedankenimpuls 😊, um dich aus dem Perfektionismus zu holen
Es gibt niemanden, der nichts kann oder alles. Und es gibt niemanden, der von allen gehasst oder geliebt wird. Wir leben in einer Welt, in der es immer zwei Seiten gibt. Und das Leben besteht aus vielen Farben und Facetten, die gelebt werden möchten.
Wenn du aus deinem Leben eher eine schwarze oder weiße Perspektive kennst, dann kann ich das sehr gut nachvollziehen. Das sind jedoch zwei Pole, an denen sich das Leben so gut wie nie abspielt. Sich selbst annehmen lernen, bedeutet, eine neue Richtung einzuschlagen. Nämlich die Richtung hin zu dir. Und das ist ein Weg, der innerhalb der beiden Pole von schwarz und weiß liegt. Also inmitten vom Leben selbst.
Falls du glaubst, dass du so klein bist und nicht genügst, dann kann ich dir mit Sicherheit sagen, dass es anders ist. Es gibt in dir, in mir und in uns allen Aspekte, die wir weniger gut annehmen mögen und andere leichter. Doch wir sind alle Aspekte zusammen, das macht uns aus.
Sobald wir das sehen können, müssen wir auch nicht mehr etwas tun, damit andere uns annehmen. Wir sind durch uns selbst angenommen. Und dadurch wirst du frei vom Druck, etwas tun zu müssen, das einem Standard entspricht, den du eigentlich eh nie wirklich erreichst. Schau’ auf dich und deine Grenzen.
Es zahlt sich bestimmt aus😊!
Liebe Grüße,
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